13. – 15. September 2019

Zwischen Valladolid und Mérida machen wir einen Stopp in Pisté, einem kleinen Dorf in der Nähe der Ruinen von Chichén Itzá. Wir wollen mit dem ersten Einlass auf das Gelände, um die Maya-Ruinen in Stille auf uns wirken zu lassen, bis die Busse aus den weiter entfernten Touristenhochburgen eintreffen. Zum Nachspüren wollen wir uns auch wieder Zeit lassen, wir bleiben also zwei Nächte in Pisté.

Geschlossenes Restaurant „Piramide“

Viele große Hotelanlagen säumen die Hauptstraße, fast alle leer oder sogar geschlossen. Alle scheinen schon bessere Tage gesehen zu haben. Wir haben in einem kleinen familiengeführten Hotel gebucht, in dem wir uns – abgesehen vom wirklich sehr kleinen Zimmer – sehr wohlfühlen.

Pool vor unserem Zimmer

Wir nutzen den Nachmittag für einen kleinen Gang durch die umliegenden Straßen, auch hier geschlossene Unterkünfte und kleine Läden. Die Sonne sticht und dunkle Wolken türmen sich am Himmel, als wir den Friedhof entdecken, Häuser für Tote, Alt- und Plattenbauten, wenn man so will. Wenn die Toten Häuser haben, in Siedlungen „wohnen“, die man besuchen kann, sind sie vielleicht doch mehr Teil des Lebens, als in unserer Kultur.

Um Wasser und Bier für den Abend zu kaufen, gehen wir ins Oxxo, einem kleinen Supermarkt direkt neben unserem Hotel. Wir sind noch nicht an der Kasse, als es so anfängt zu schütten, dass wir hier für die nächste Stunde bleiben werden. Wir stehen in einer Ecke am Fenster und sehen, dass man selbst in zwei Metern vom Auto in den Laden klatschnass werden kann. Dann kommen 5 Männer, sie reihen sich vor der Glasfassade auf ohne in den Laden zu kommen. Alle sind mittleren Alters und sehr ärmlich gekleidet. Bis auf einen tragen alle in unterschiedlichen Rottöne verwaschene Hemden. Zwei von ihnen wird es dann doch draußen zu nass. Sie kommen in den Laden, gehen zum Kühlschrank mit den verschiedenen Biersorten, öffnen die Tür, holen zwei Dosen heraus, kichern und stellen sie wieder rein. Dann kommen sie wieder weiter nach vorne, versuchen noch etwas im Trockenen zu bleiben. Es ist kalt hier drin, Oxxo kühlt, wie alle Supermärkte, auf etwa 20 Grad. Draußen sind 32. Die Angestellten schauen die beiden kühl und fest an. Schließlich stellen sich beide wieder zu den anderen dreien vor die Tür. Ich habe den Eindruck zum ersten mal „nackte“ Armut gesehen zu haben. Sobald der Regen etwas nachlässt, laufen sie davon. Nach einer knappen Stunde trauen wir uns auch die 30 Meter um die Ecke. Der Eingang zum Hotel steht knöcheltief unter Wasser und wir werden ziemlich nass.

Was essen? Ein paar einheimische Restaurants haben offen, alles was nach Tourismus aussieht, hat geschlossen. Google Maps nennt „Pizzeria Martha“, etwa 20 Minuten zu Fuß. Es ist trocken, mit den letzten Sonnenstrahlen machen wir uns auf den Weg, Nebenstraßen, Wohnhäuser, Schweine, Hühner und Menschen, die mit den Folgen des Gewitters beschäftigt sind. Manche Grundstücke gleichen Seen. Es wird dunkler und wir sind erstaunt, dass wir uns schon trauen in der Dämmerung in solch dunklen Straßen unterwegs zu sein. Nach links: wir sehen die Straße vor uns schnurgerade den Ort verlassen und wollen schon aufgeben – da, das letzte Haus „Pizzeria Martha“, ein Lieferservice. Man knippst das Licht für uns an und in rotem Plastikgestühl warten wir auf unsere vegetarische Pizza. Die ist dann optisch und geschmacklich doch etwas eigen, aber wir haben seit dem Morgen nichts gegessen – also los. Bleibt zu sagen, dass wir beide die ganze Nacht schwer mit ihr beschäftigt waren…

Nasenbär

Auf dem Heimweg sehen wir noch eine Art Generalprobe, die uns anrührt. Auf dem großen Platz vor der Kirche stehen etwa 20 Tänzerinnen und Tänzer, die Frauen mit angedeuteter traditioneller Kleidung, die Männer in Jeans oder Sportkleidung. Links von uns steht das „Orchester“, acht Jungs unterschiedlichsten Alters mit Pauken und Trompeten (also wirklich: Blech und Haut!) und macht Krach. Es gibt keinen Rhythmus, jeder spielt etwas anderes, auch wenn ein jüngerer versucht den Ton anzugeben. Schließlich stellt jemand einen Lautsprecher mit traditioneller Musik an und die Tanz-Formationen beginnen. Einer kann wirklich tanzen. Die anderen versuchen abzuschauen und einfach nicht stehenzubleiben. ABER: Sie sind alle hier, nicht mit dem Mobile cool in der Ecke, versuchen es miteinander! Alle Achtung. Uns dröhnen die Ohren, wir machen uns auf den Heimweg.

Erster!

Am nächsten Morgen stehen wir früh auf und machen uns auf den Weg nach Chichén Itzá. Zu Fuß, um sieben Uhr ist es noch angenehm kühl (26-27 Grad), wir brauchen gut 20 Minuten und sind tatsächlich die Ersten. Eine halbe Stunde müssen wir noch auf den Einlass warten und dann sind wir drin.

Der Ballspielplatz in Chichén Itzá ist der größte Mexikos

Den Ballspielplatz, den größten bekannten, lassen wir links liegen, Robert möchte die große Pyramide ganz ohne Besucher sehen und schafft es an allen vier Seiten. Den Vormittag bleiben wir hier, bis wir jede der frei gelegten Pyramiden gesehen haben. Verstehen können wir nur Häppchen, beeindruckend ist die Größe der Gebäude. Ausdruck von Macht und Stärke der Oberschicht. Hier wie auch in Ägypten ist eine Hochkultur untergegangen. Nicht erst mit der Kolonialisierung. Weit vorher. Man nimmt an, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen zu stark beansprucht worden sind, die Bevölkerung, vielleicht unter dem Einfluss einer Dürre, nicht mehr ausreichend ernährt werden konnte, weil die Abholzung der Wälder für das Bauen (Privathäuser waren aus Holz, von denen gibt es heute keine Überreste mehr) einen sinkenden Grundwasserspiegel zur Folge hatte. Ein Schelm, wer Parallelen sieht… Vielleicht wird man, wenn einst Reste von San Francisco ausgegraben werden, auch vom Beginn der Postklassik europäisch geprägter Gesellschaften sprechen. Wir sind nur eine von mehreren humanoiden Hochkulturen, die es auf diesem Planeten gegeben hat. Das ist etwas, was wir beide ganz eindringlich zwischen diesen Ruinen erleben.

Es ist ultraheiß, als wir zum Abschluss den Cenote auf dem Gelände besuchen. Er liegt tief und wirkt sehr schmutzig. Vielleicht hat er keinen Anschluss mehr an die Grundwasserflüsse. Bei Ausgrabungen hat man viele Knochen, auch von Kindern gefunden, die hier geopfert worden sind. Im zyklischen Weltbild der Maya sind Cenote Tore zu Unterwelt. Hier Leben zu opfern sorgte dafür, dass der unterirdische Teil des Kreislaufs nicht versiegt und an anderen Stellen der lebenswichtige Mais wieder aus dem Boden ans Licht kommen kann. Der Weg zur Cenote ist von zahlreichen Händlern gesäumt. Andenken aller Art und alle nur einen Dollar (20 Pesos). Nur ein Händler hört uns deutsch sprechen. Sofort heißt es dann: „alles gratis“.

Den Nachmittag verbringen wir am Pool, lesen, entspannen und freuen uns über diesen schönen Ort. Heute Abend gibt’s Kräcker und Bier.

Links

Yucatán Chichén-Itzá

Chichén Itzá – Wikipedia

Mesoamerikanisches Ballspiel – Wikipedia