18. März 2020

Die wichtigste Neuigkeit hat sich gestern noch ereignet. Die Appelle des Auswärtigen Amtes nach Deutschland zurückzukehren wurden immer dringlicher. Man geht offenbar in Deutschland davon aus, dass die Situation in den kommenden Wochen und Monaten weiter eskalieren wird und eine Rückkehr dann lange Zeit gar nicht mehr möglich sein könnte. Man nannte uns ein paar Flüge von KLM, Air France und Iberia in den kommenden Tagen. Die waren aber alle schon ausgebucht. Über Paris und Madrid wollten wir nicht so gerne fliegen und die KLM Website war auch die einzige, die sich problemlos bedienen ließ. Zunächst erfolglos, blätterte ich im KLM Kalender weiter und fand einen Flug für den 22. März 2020 nach Amsterdam. Eine halbe Stunde später gelang es uns zwei Tickets zu buchen. Wenn sich nicht alles wieder ändert, kommen wir also am kommenden Montag nach Deutschland zurück.

Einerseits froh, dass die Ungewissheit dann ein Ende hat und wir in der Nähe von Freunden und Familie sein können, sind wir doch traurig über das jähe Ende unserer Reise. Wir hatten gerade einen guten Lauf (und das war ja nicht immer so).

Heute sind wir vom Selina in ein Apartment im Casa Luna Loma gezogen, in dem wir auch die ersten Tage in Ecuador verbracht haben. Eigentlich ausgesucht um zwei oder drei Wochen Ausgangssperre angenehm abwarten zu können, werden wir jetzt nur 5 Tage hier verbringen.

Auch im Selina war eine besondere Stimmung, die Rezeption hatte eine WhatsApp Gruppe eingerichtet über die Wünsche und Angebote ausgetauscht werden konnten, einzelne Reisende organisierten Yoga Stunden, Lobby und Gemeinschaftsküche füllten sich mit uns Gestrandeten. Man rückte ein wenig zusammen. Aber es gab an Tag 2 der Ausgangssperre bei vollen Regalen in den Supermärkten doch schon einige Hamster-Einkäufer unter den Reisenden.

Wir hören mit Schrecken von den massiv ansteigenden Infektionszahlen in Deutschland. Es ist nicht ganz zu verstehen, warum man sich dort vor einer formellen Ausgangssperre scheut. Hier funktioniert das eigentlich ganz gut, Lautsprecherwagen fahren herum: „Für dich, für deine Familie, für deine Freunde und Nachbarn: Bleib zu Hause, geh nicht zur Arbeit“. Und die meisten, nicht alle, halten sich dran.

Die Obdachlosen aber laufen scheinbar noch haltloser herum als sonst – durch eine fast leere Stadt. Auch die wenigen Touristen, die wir auf der Taxifahrt in unser neues Quartier gesehen haben, wirken verstört und nicht mehr selbstverständlich hier.

Die Ecuadorianer tragen fast alle Gesichtsmasken und Gummihandschuhe. Und natürlich schauen sie misstrauisch und ängstlich auf uns. Das ist verständlich: Touristen haben den Virus ins Land gebracht und man sieht uns ja nicht an, dass wir seit August in Lateinamerika unterwegs sind. Aber alle sind trotzdem sehr freundlich.

Und dieses kleine Land, dass so auf den Tourismus angewiesen ist, sich so ins Zeug gelegt und eine wunderbare Infrastruktur für Reisende entlang seiner Naturschönheiten angelegt hat, wird bluten. Wo in Deutschland einfach Geld ins System gepumpt werden kann, ist hier keines. Viele werden ihre Arbeit verlieren, vielleicht wieder Unruhen kommen wie im vergangenen Herbst. Schon werden hier die ersten Sparmaßnahmen und Kürzungen angekündigt, ist die Krise vielleicht Vorwand für neoliberale Reformen (s. Link).

Wir schauen jetzt sehr auf die eigenen Einschränkungen – und das ist verständlich – darüber dürfen wir aber all die Anderen nicht vergessen, nicht Syrien, nicht die Flüchtlingslager in Griechenland und auch nicht Länder wie Ecuador. Auch wenn es nicht sehr wahrscheinlich ist, für sie alle wünschen wir uns ein schnelles Ende dieser Krise. Wir haben so viel Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft in diesem Land erlebt.

Link

Ecuador | amerika21 – aktuelle Informationen für alle, die mehr wissen wollen (deutsch)

Wegen Schulden, Ölpreisverfall und Corona: Austeritätsprogramm in Ecuador | amerika21

Coronavirus in Südamerika: Regierungen verschärfen die Maßnahmen | amerika21