28.11.-2.12. und 6.12.-9.12.2019

Am frühen Nachmittag heißt es “Gringos, aussteigen – zum Zentrum dort entlang!” Im von uns auserkorenen Hotel gibt es nur noch Zimmer für eine Nacht. Und auch sonst scheint recht viel bereits ausgebucht zu sein. Vor neun Jahren reichte es, mittags anzukommen und spätestens bei der dritten Unterkunft hatte man ein schönes Zimmer. In Zeiten von “booking.com” kann man nicht nur, man muss im Internet voraus buchen – weil alle es tun und die Zimmer schon belegt sind, bevor die zukünftigen Bewohner anreisen.

Unsere zweite Wahl ist das Selina. Wir kennen die Kette, die sich an hippe, junge Weltenbürger wendet aus Panajachel. Vorteil: Klare Zimmer mit vernünftigen Betten, gut gestaltet, bestes Internet, eine Gemeinschaftsküche, Pool, Kicker und Coworking-Spaces sind verlässliche Standards. Nachteil: meist schnöseliges, zum Teil inkompetentes, und aufgrund der offenbar strengen Vorgaben auch sehr unflexibles Personal. Es wird auch diesmal eine Hassliebe werden. (Bei Robert etwas mehr Hass, bei mir etwas mehr Liebe…). “3 Nächte, da hätten wir was für 299 Dollar”, so geht es los. Auf “booking” hatten wir Zimmer mit eigenem Bad für 90 Dollar gesehen. Also loggen wir uns schnell ins Hotel W-LAN ein und buchen via App: Jetzt haben wir eine Reservierung und sind in 20 Minuten auf dem Zimmer: mit Balkon und großem Bad für gut 30 Dollar die Nacht. Geht doch!

Selina mietet oder kauft an Orten Hotels für einen expandierenden Markt junger Reisender. In Granada haben sie mit dem ehemaligen Alhambra Hotel am Hauptplatz, gegenüber der Kathedrale einen Volltreffer gelandet. Definitiv der beste Platz die Feierlichkeiten zu Marias unbefleckter Empfängnis zu erleben.

Deutlich mehr als in León spüren wir auch hier das Fehlen von Touristen. Auf der einen Kilometer langen Promenade von der Kathedrale zum See haben nur ein Drittel der Restaurants geöffnet. In den Seitenstraßen ist sofort nichts mehr los. Viele Menschen sind nach Mitte 2018 arbeitslos geworden. Von April bis Juni 2018 gab es Unruhen, nahe daran zu einem Bürgerkrieg zu eskalieren. Das Regime griff hart durch und auch die Gegenseite war nicht gerade zimperlich, wenn es um Menschenleben ging. Folge. In der ersten Hälfte 2018 sollen 6 Millionen Touristen Nicaragua besucht haben, in der zweiten Jahreshälfte noch 80.000. Die nicaraguanische Eigentümerin des “Garden Café” hat die Ereignisse aus der Perspektive einer Unternehmerin im Blog zum Café geschildert (Link unten, gerne nachlesen). Wir sehen und erleben mehr Armut als in Leon, die als Universitätsstadt nicht so stark vom Tourismus abhängig zu sein scheint.

Unser erster Rundgang hangelt sich an den Kirchen entlang. Vor “La Merced” lernt uns Miguel kennen, der sein Englisch üben will, sagt er. Gerade wollen wir nicht und bleiben in der Kirche vor jedem Bild dreimal so lange stehen wie sonst. Miguel hat längeren Atem und so geht es gemeinsam auf den Turm. Wir wissen noch nicht, dass er mit der Aufsicht ein Abkommen hat, die die Preise für den Aufstieg verdoppelt und Miguel daran seinen Anteil hat. Oben erklärt er uns den Ausblick und versucht uns eine Tour zu den Islas zu verkaufen. Von hier aus haben wir wirklich einen sehr schönen Blick über die Stadt.

Ein ganz anderes Granada beginnt gleich eine Parallelstraße weiter. Hier reiht sich ein Geschäft an das andere, als wir ankommen ist Black Friday und Lastwagen mit Angebotsware behindern noch zusätzlich den Verkehr. Der besteht aus hunderten Menschen, Radfahrern, Autos und sogar großen Cammionetas, Stadt- oder Fernbussen – alle gemeinsam und miteinander im Schritttempo. Vor den Geschäften mobile Stände mit allerlei vom Computerkabel über Schuster zur Uhrenreparatur. Davor, die mobilen Händler: Standard sind Zwiebeln, Tomaten und Paprika in kleinen Beuteln zu je 10 Cordoba verpackt. Es dämmert schon, als wir mit allen anderen Verkehrsteilnehmern durch diese Straße fließen, auf der Suche nach einem Supermarkt um Trinkwasser zu kaufen. Wir finden “Palí”, ein Sproß der Walmart Kette und unserem Aldi nicht unähnlich. Zurück müssen wir jetzt gegen den Strom, aber auch dafür gibt es ein kleines Rinnsal an der Seite, in dem wir zurück zum Hauptplatz strömen. Hier ist es still.

Acht Tage, unterbrochen von unserem Aufenthalt an der Laguna Apoyo, sind eine lange Zeit. Es gibt also Häppchen …

Der See

Granada liegt am Nicaraguasee, einem durch den Grenzfluss zu Costa Rica mit dem Atlantik verbundenen riesigen See. Hier soll es Haie geben und gerade jetzt sorgt der Wind für heftige Wellen. Als Konkurrenz zum Panama-Kanal sollte durch diesen See eine schiffbare Verbindung zwischen dem Atlantik und dem Pazifik hergestellt werden. Die letzte Planung, von der derzeitigen Regierung unterstützt, stammt von den Chinesen. Die Verbindung ist vor allen Dingen aus ökologischen Gründen sehr umstritten und offenbar ruht auch das aktuelle Vorhaben seit 2014. (Die Geschichte der Projekte ist sehr spannend). Am Hafen liegt noch eine Fähre. Bis vor zwei Jahren hat man von hier aus noch auf die Insel Ometepe (unser letztes Ziel im Land) fahren können, jetzt ist der Wasserstand zu niedrig (wenn das mal alles ist). Unser erster Abendspaziergang führt uns an den See. Kurz davor, von der Feuerwehr bewacht und in einem ordentlichen Halbkreis bunte Buden, an denen nur Erwachsene einkaufen dürfen: Feuerwerk für das Fest der kommenden zehn Tage: die Purísima, das Fest der Unbefleckten Empfängnis.

Das Fest der unbefleckten Empfängnis (Purísima)

Durch unser gegenüber der Kathedrale gelegenes Hotel geraten wir zufällig in einen Umzug: Die Polizei, im Stechschritt mit Waffen im Arm, prozessiert zur Kirche. Ein Wagen trägt eine Marienfigur mit der Aufschrift: “Reina del Pax” (Königin des Friedens). Für uns makaber, in jedem Falle merkwürdig. Ich denke, hier geht das zusammen. Eines der höchsten Feste der katholischen Kirche in Lateinamerika ist die Feier der Unbefleckten Empfängnis Mariens am 8. Dezember jeden Jahres. Ich habe erst einmal lernen müssen, dass das nichts damit zu tun hat, dass Jesus keinen leiblichen Vater hat, sondern, dass es darum geht, eine völlig sündenfreie, also von Erbsünde freie, Maria zu konstruieren. Maria ist dann auch die Schutzpatronin der Stadt. Angeblich hat ein Fischer nach einer der vielen durch Erdbeben verursachten Zerstörungen der Stadt, die Figur schwimmend im See gefunden. Seither gilt sie als Zeichen der Hoffnung und des Schutzes. Deshalb wird hier (wen wundert es, dass León sich mit einer sehr ähnlichen Geschichte schmückt), dieses Fest besonders rauschend gefeiert. Evangelisch aufgewachsen interessiert mich wie hier mit Bildern umgegangen wird. Diese Reise ist eine Gelegenheit, dem näherzukommen.

In der Kathedrale ist für den kommenden Tag die “Bajada” angekündigt. Die Kathedrale ist brechend voll. Zum Ende eines Gottesdienstes wird die Statue der Schutzpatronin langsam von ihrem erhöhten Platz (im Himmel) auf den Boden der Kirche (die Erde) heruntergelassen. Von dort geht es mit großem Jubel aus der Kirche. Der Zug nimmt seinen Weg durch die Straßen der Stadt, wir folgen nur über den Platz. Der Ankündigung entnehmen wir, dass die Figur diese eine Nacht in einer anderen Kirche verbringen wird. Am kommenden Morgen werde ich im Hotelzimmer durch Böllerschüsse geweckt. Es ist kurz nach halb sechs und die Sonne geht gerade auf. Ich werfe mir ein paar Sachen über und gehe zur Kathedrale, die nicht ganz so voll ist wie am Vorabend. Maria kommt wieder und wird in der Kirche mit Applaus, Fähnchen und Rasseln empfangen. Noch ist mir nicht ganz klar was hier geschieht, aber mithilfe des Textes La Purísima in Granada und den Erfahrungen der nächsten Tage kann ich es entschlüsseln. Jeden Morgen wird die Prozessionsfigur (die “echte” vom Himmel herabgestiegene ist die ganze Zeit in der Kirche, aber jetzt in der Höhe der Besucher und nicht über dem Altar ausgestellt) von einer Gruppe Menschen mit Pauken, Trompeten und Böllern abgeholt. Den Tag verbringt die Figur dann in einer der Straßen Granadas, steht auf einem dort befindlichen Altar, während sich die Bewohner der Straße daran machen ihre Häuser zu schmücken und ein Straßenfest vorzubereiten, dass etwa zwischen 5 und 8 gefeiert wird. Anschließend bringt eine Prozession die Figur wieder mit großem Gefolge in die Kathedrale, wo sie die Nacht verbringt. Vor der Kathedrale feiern die Menschen noch ein bis zwei Stunden weiter, es gibt zu essen, Chöre singen (mal mehr und mal weniger falsch) oft die immer gleichen Lieder.

Acht Tage dauert der Festreigen, je nach Größe und Reichtum der veranstaltenden Straßen variieren die Feste und die Umzüge. Das Bewegen der aufwendigen Wagen durch die Stadt ist gar nicht so einfach. Überall hängen Leitungen, die von Begleitern mit hohen Stangen aus dem Weg gehoben werden müssen. Eines dieser Straßenfeste haben wir besucht. Nachmittags während der Vorbereitungen und auch noch einmal am Abend. Am Tag nach dem 8. Dezember bekommt die Figur wieder ihren angestammten Platz. Mit der gleichen Hebebühne, auf der sie vom Himmel kam, nimmt sie auch wieder ihren Weg nach oben. Bis zum nächsten Jahr.

Auszug nach der Bachada

Soviel der sachlichen Vorbereitung. Das Erleben ist – vor allem bei der “Bajada” und bei der “Himmelfahrt” unglaublich. Die Kirche tobt, bei den Rufen “Maria”, “Maria de Nicaragua” oder “Quién causa tanto allegría – Maria”. Menschen jeden Alters singen, lachen in der Kirche, fotografieren und filmen mit der Figur, begleiten ihren Einzug. Was für eine Begeisterung! Was für eine Fröhlichkeit. Nichts von der Schwere und der Nähe zum Tod, die wir bisher in den Kirchen erlebt hatten. Faszinierend auch der wiegende Gleichschritt der Menschen, die die Figur auf ihrer Plattform tragen: Er gleicht einem Tanz. 10, manches Mal auch 30 oder mehr tragen die Figur. Wie muss dies das Gefühl der Zusammengehörigkeit stärken! Und: Wie schwer muss es sein hier nicht mitzumachen. (Die beiden Seiten traditionsvermittelter Gemeinschaften).

Einer der letzten Einzüge am Samstag. Die Prozessionsfigur ist auf einem Wagen gekommen, der die Kathedrale nachbildet. Die zehn Minuten sind vielleicht etwas lang, erlauben aber die Stimmung in der Kirche mitzuerleben.

Die Vulkane

Wir buchen die Abendtour zum Masaya-Vulkan. Wir werden in einem PKW abgeholt, ein Guide, ein Fahrer und wir zwei. Eine gute halbe Stunde dauert die Fahrt. Eine weitere halbe Stunde stehen wir in der Schlange vor dem Eingang zum Nationalpark. Nur zwanzig Autos dürfen gleichzeitig hinauf. Und nur 20 Minuten dürfen wir bleiben. Seit einem kleineren Ausbruch, bei dem Steine aus dem Krater geschleudert wurden, zum Glück keine Menschen, nur Autos zu Schaden kamen, sind die Grenzen enger gezogen.

Blick in das Erdinnere (Brodelnde Lava im Masaya)

Es ist dunkel, als wir den Kraterrand erreichen. An drei Punkten können wir nach unten sehen. Brodelnde Lava, ein Kochen und Spritzen, aber schwerfällig – so sieht es an der Grenze zum Flüssigen im Erdinnern aus. Wirklich faszinierend. Gegen das dunkelrote Leuchten sehen wir ab und zu etwas fliegen: Fledermäuse (und am Tage wohl auch Papageien) haben sich an die Mischung giftiger Gase adaptiert und haben hier ihren Lebensraum.

Mombachu ist der Vulkan, der die “Skyline” Granadas bestimmt. Er ist um 1570 zum letzten Mal ausgebrochen. Er hat nicht nur einen, sondern vier Krater aus unterschiedlichen Zeiten. Wir besuchen ihn für eine vierstündige Wanderung durch den Nebelwald. Unser Guide heißt Jerry. Er hatte uns am Abend zuvor auf dem Hauptplatz angesprochen. Wollte wie die meisten die Insel-Tour verkaufen. Wir wollen nicht. Auch auf dem Massaya waren wir schon. Das ist schade, sagt Jerry, ob er sonst noch etwas für uns tun könne, ganz freundlich und aufrichtig erscheint uns das, ohne jeden Groll, dass wir bei seinen Touren nicht angebissen haben. Wir sagen danke, nein. Nach unserem frühen Abendessen sehen wir ihn wieder. Sitzt in einem Hauseingang und sieht müde aus. Seine Kleidung ist sauber aber ziemlich abgetragen. Spontan entschließen wir uns, ihm doch ein Geschäft anzubieten, Mombachu mit ihm zu machen. Wir wollen unser Geld lieber direkt verteilen, statt alles aus einer Hand zu buchen. Auch wenn das etwas aufregender und ungewisser ist. Für den kommenden Morgen haben wir eine Verabredung, um neun, vor unserem Hotel.

Robert ist unsicher, ob Jerry sich an die Verabredung hält, aber kaum ist es neun, ist er da. Jerry ist sehr viel größer als die anderen nicaraguanischen Männer. Mit großen schnellen Schritten geht es einmal durch die Stadt zur Bushaltestelle. Wir müssen zusehen, im Gedränge den Anschluss nicht zu verpassen. Wir können gleich den ersten Bus nehmen. Nach dem Aussteigen geht es mit dem TukTuk zum Eingang des Parks, Jerry verhandelt einen günstigen Preis, wo wir dann alle Gebühren entrichten. Eintritt, Transport und Wanderung werden getrennt abgerechnet. Für jedes gibt es ein eigenes Armbändchen. Ein Truck bringt uns noch vier Kilometer weiter bis fast nach ganz oben auf den Berg. Ab hier ist ein zusätzlicher Guide für den Berg vorgeschrieben, kostenpflichtig, versteht sich (keine Überraschung, das wussten wir schon). Ein Berg, zwei Guides, zwei Touristen, guter Schlüssel, nicht?

Zuerst besuchen wir eine Fumarole, ein Loch aus dem heißer Wasserdampf an die Erdoberfläche tritt, dann beginnt unser 4 km Rundweg, für den wir etwas mehr als drei Stunden brauchen werden. Es geht durch dichten, feuchten Wald, immer hoch und runter, zum Teil auf sehr glitschigen Holzstufen, oft genug auch ohne jeden Tritt. Ein paarmal halten wir an Aussichtspunkten, an einem der letzten können wir die etwa 60 km entfernte Insel Ometepe auf dem Nicaraguasee sehen. An einer Flanke entweichen seit ca. 10 Jahren schwefelhaltige Dämpfe. Die Bäume in diesem Bereich sind abgestorben. Ein Geisterwald. Am Boden wachsen Farne und andere grüne Pflanzen, denen der Schwefel nicht zuzusetzen scheint. Ein bizarres Bild.

Auf dem Rückweg ist Jerry ziemlich gesprächig, lacht viel, wir erfahren mehr von seiner Familie, der geizigen reichen und der antriebslosen kleinen Schwester, seine Art zu glauben und dass er gerne kocht, für seine Mutter. Auf den letzten 500 Metern kommen wir an einem O-Saft Stand vorbei. Er werde sich einen kaufen, sagt Jerry, nachher, wenn wir ihn bezahlt hätten. Warum nicht gleich sage ich. Ein kleiner Junge presst die Orangen, eine Frau schält die Orangen mit einer Art Spiralschneider. Eis kommt hinzu, Zucker und Salz nach Geschmack. Das Ganze wird mit einem Strohhalm in einen Plastikbeutel eingeknotet. Lecker und unglaublich erfrischend. Beim Abschied sagt Jerry, wir sollen ihn weiterempfehlen. Eine Businesscard habe er leider nicht. Ich frage ihn, ob er ein Mobile hat. “Natürlich nicht”, ist die Antwort. Es klingt fast empört. Er wäre jeden Tag an der Kathedrale anzutreffen. Wenn es dämmere, gehe er allerdings nach Hause. Falls er nicht zu finden sei, wäre er vielleicht tot, oder woanders, wer weiß. Wir waren noch viele Tage am Platz. Jerry haben wir nicht mehr getroffen.

Der Losverkäufer

Das ist jetzt eine sehr berührende Geschichte. Überall, wo Menschen unzufrieden sind, etwas anderes möchten, gibt es Glücksspiel, die Hoffnung auf das ganz andere Leben. Überall in Mittelamerika gibt es Losverkäufer. Sie haben Bretter oder Mappen und man kann aus den immer gleich aussehenden bunten Losen seine spezielle Losnummer ziehen.

In Granada habe ich gerne vor dem Selina gesessen, es gibt dort eine Terrasse, im Schatten, mit Tischen, Sofas, Kaffee bekommt man immer wieder auch umsonst. Mit dem Tablet am Blog geschrieben, Bilder angesehen oder einfach nur auf den Platz geschaut. Auf der anderen Straßenseite stehen Kutschen, das klassische Verkehrsmittel für Stadtrundfahrten, und warten auf Touristen (die nicht kommen). Auf der mir zugewandten Straßenseite wird Parkraum bewirtschaftet, d.h. ein Mann mit Warnweste und Trillerpfeife lenkt suchende Autos zu den Lücken, hilft beim lückenfreien Ein- und Ausparken und bekommt dafür ein Trinkgeld. Aus dem Augenwinkel sehe ich wie solch ein leuchtend gelber Warnwestenmann die drei Treppen zum Selina hinaufkommt. (Das ist etwas Besonderes, denn die Gehsteigkante ist eine unsichtbare aber energische Grenze zwischen uns hier drinnen und denen da draußen. Bettler oder Straßenverkäufer rufen von unten hoch, würden aber niemals den Eingangsbereich betreten. Ein achtjähriger Junge, dem ich dann ein paar Kekse abgekauft habe, hat einmal eine Ausnahme gemacht, sich während des ganzen Handels aber immer ängstlich umgeschaut. Direkt am Eingang steht ein Pult, meist von einem Angestellten oder einem Wachmann besetzt. Auf dem Pult steht: “I’m Selina, ask me anything”. Ich habe das oft als ein: bis hierher und nicht weiter gelesen, weiß aber ganz ehrlich auch nicht, wie man es anders machen kann.)

Der Parkeinweiser kommt also die Treppen herauf und stützt dabei einen alten, ziemlich kleinen Mann mit Stock. Kaum hat er dem alten Mann nach oben geholfen, ist er auch schon wieder unten. Nicht sein Terrain, denke ich. Der Alte kommt jetzt auf mich zu. Er hat eine Mappe mit ein paar Losen. Fragt mich, obwohl er sicher weiß, dass ich mit den Losen nichts anfangen kann, ob ich welche möchte. Gleich nach meinem “Nein, danke” kommt sein ganz leises “Ayuda me” (“Hilf mir”). Ganz leise fragt er nach 90 Cordobas, etwa € 2,80. Er bekommt sie. Und dann kommt noch eine Bitte, die ich vorher hätte sehen können und mit der ich zu meiner Schande doch nicht gerechnet habe: Ich möge ihm wieder die Treppe herunterhelfen. So fasse ich diesen Mann am Arm. Klein und alt wie mein Großvater, aber arm, ohne ein Auskommen und mit Armen aus Haut und Knochen. Ich kann den Blick nicht abwenden, als er noch einmal an mir vorbeigeht. Wieder unten, auf der Straße, einen Meter tiefer und vielleicht zwei Meter entfernt.

Das Wiedersehen

Ihr erinnert Alex und Mira, die wir in Belize kennengelernt haben? Beide waren danach nach Guatemala gereist und hatten das Land in umgekehrter Richtung bereist. Mit dem Shuttle sind sie Honduras und El Salvador in einer langen Tour durchfahren und hatten Nicaragua ebenfalls in Leon begonnen. In Granada konnten wir uns noch einmal wiedersehen. Auf unseren Tipp vertrauend hatten sie ebenfalls im Selina gebucht und gleich Pech: Das reservierte Zimmer sah komplett anders aus als auf den Fotos, war viel kleiner und hatte kein eigenes Bad. Es gab dann Ersatz, mit anderen Mängeln: fensterlos und direkt oberhalb der Lobby. Nachdem das geregelt war, konnten wir uns richtig freuen. Wir kaufen ein, kochen und essen gemeinsam und klönen viel. Das ist der Vorteil eines Hotels mit gut gestalteter Gemeinschaftsküche. Selber kochen und Freunde treffen, das ist ein bisschen wie zu Hause.

Am Samstag brauchen Alex und Robert eine frische Frisur. Mira und Thomas unterstützen sprachlich. Dann besuchen wir eines der Straßenfeste der Purísima, nachmittags zu den Vorbereitungen und abends zum Fest. Da Mira eine Zeitlang in Ecuador gelebt hat, spricht sie sehr gut Spanisch und kann vieles erklären oder nachfragen. Es ist eine reichere Straße und es gibt immer wieder Geschenke. Wir bekommen eine blaue Rassel auf der “Viva Nicaragua” steht. Gemeinsam erleben wir den Einzug der Maria am selben Abend in der Kathedrale.

Maria kommt zurück.

Jeden Samstag feiern im Selina junge Menschen mit viel Alkohol und lautem Raggaton. Seit die Touristen nicht mehr da sind, hören wir, kommen fast ausschließliche Nicas, meist aus Managua und schlafen auch für diese eine Nacht im Hotel. Wir feiern mit, wir haben was zu feiern, das Wiedersehen mit Mira und Alex und unseren ersten Hochzeitstag. Ich mag die Musik nicht wirklich, aber wenn schönere südamerikanische Musik kommt, nehmen Mira und Alex Fahrt auf. Sieht gut aus. Weil deren Zimmer wirklich direkt oben drüber liegt, halten wir tapfer durch und frühstücken am kommenden Morgen etwas später. Am Montag fahren beide weiter nach Popoyo zum Surfen. Robert und ich runden die Purísima mit Marias Himmelfahrt ab.

Links

Granada

Granada (Nicaragua) – Wikipedia

The Garden Cafe | Granada | Nicaragua

Experience the World – Stay, Work, Surf and Explore | Selina

Nicaraguasee – Wikipedia

Nicaragua-Kanal – Wikipedia

Maria

Marienverehrung – Wikipedia

Unbefleckte Empfängnis – Wikipedia

La Purísima In Granada – Nicaragua Community – Nicaragua Community

La gritería – Wikipedia, la enciclopedia libre

Vulkane

Masaya (Vulkan) – Wikipedia

Mombacho – Wikipedia